Mit einem 135 Millionen Franken teuren Entlastungsstollen von der Sihl in den Zürichsee will der Zürcher Regierungsrat die Stadt Zürich vor Schäden in Milliardenhöhe schützen, die bei einem Extremhochwasser drohen. Frühestens 2024 könnte der Stollen zur Verfügung stehen.

Während der Hochwasserereignisse 2005 entging die Stadt Zürich nur dank einem günstigen Wetterverlauf knapp grossen Hochwasserschäden. Die anschliessende Lagebeurteilung zeigte, dass ein grosser Handlungsbedarf für den Schutz vor seltenen Hochwasserereignissen besteht. Bei einem Extremhochwasser der Sihl, wie etwa jenem von 1846, wird das Schadenpotenzial auf bis zu 6.7 Milliarden Franken geschätzt. Als Langfristlösung zum Schutz gegen Extremhochwasser der Sihl hat der Zürcher Regierungsrat im Herbst 2017 entschieden, einen Entlastungsstollen zwischen Langnau am Albis und Thalwil zu projektieren.


2.0 KILOMETER LANGER STOLLEN UND KOMPLEXE EIN- UND AUSLAUFBAUWERKE

Der Entlastungsstollen entnimmt die Hochwasserspitzen der Sihl mit einem regulierten seitlichen Einlaufbauwerk unterwasserseitig des Schwemmholzrechens Sihl und führt sie in einem Freispiegelstollen unter dem Zimmerberg hindurch in den Zürichsee. Das Auslaufbauwerk dient der Energieumwandlung und der kontrollierten Einleitung der ausgeleiteten Hochwasserspitzen in den Zürichsee. Das Auslaufbauwerk liegt unmittelbar nördlich der ARA Thalwil. Das Einlaufbauwerk ist so gestaltet, dass kleinere und mittlere Hochwasser weiterhin die gesamte Sihl durchfliessen und für die vom Gesetz verlangte Flussdynamik zugunsten des Geschiebehaushalts und die Alimentierung des Grundwassers sorgen. Erst wenn in der Sihl ein Abfluss von 250 Kubikmeter Wasser pro Sekunde überschritten wird, öffnet sich das regulierbare Schlauchwehr im Einlaufbauwerk. Der Stollen ist so ausgelegt, dass er bei einem Dimensionierungsabfluss von 600 Kubikmeter pro Sekunde in der Sihl eine Entlastungskapazität von 330 Kubikmeter pro Sekunde erreicht. Das Einlaufbauwerk hat eine Länge von rund 100 Meter und befindet sich unter Terrain zwischen dem Sihlufer und der Trasse der Sihltalbahn. „Die detaillierte Ausgestaltung des hydraulisch komplexen Einlaufbauwerkes sowie die Geometrie der Toskammer und der verschiedenen Einbauten beim Auslaufbauwerk werden in Modellversuchen an der Versuchsanstalt für Wasserbau (VAW) der ETH Zürich untersucht“, erklärt Yves Keller vom Ingenieurbüro IUB mit Hauptsitz in Bern. Er ist Leiter der Abteilung Wasserkraftanlagen/ Wasserbau und bearbeitet für den Entlastungsstollen Thalwil in der beauftragten Ingenieurgemeinschaft als Gesamtplaner die einzelnen Bauwerke. Der an das Einlaufbauwerk anschliessende Stollen verläuft in der Zürcher Molasse, hat einen Innendurchmesser von 6,60 Meter, ist rund 2,0 Kilometer lang und überquert nach rund 800 Meter den geplanten Zimmerberg-Basistunnel Teil 2.

In der Toskammer in Thalwil erfolgt die Umwandlung der kinetischen Energie des Wassers aus dem Entlastungsstollen. Unter Druck strömt das Wasser dann durch einen Rechteckkanal unter der Seestrasse und dem Seebad Bürger I hindurch bis zum Mündungsbauwerk in den Zürichsee. Die Wasserrückgabe erfolgt rund 8 Meter unter der Wasseroberfläche und etwa 100 Meter vom Ufer weg. „Der Bau des Auslaufbauwerks in den Zürichsee ist aufgrund einer Tiefe bis 12 m unter dem Wasserspiegel und der engen Platzverhältnisse eine der grossen Herausforderungen an diesem Projekt“, erklärt Yves Keller und ergänzt: „Zu nennen ist aber auch die Baulogistik: zur Reduktion der Emissionen im Siedlungsgebiet sowie aus Platzgründen ist ein fallender Vortrieb vom Sihltal in Richtung Thalwil vorgesehen. Ebenfalls herausfordernd sind die Interessen der verschiedenen Anspruchsgruppen, die das Projekt massgeblich beeinflussen.“ 


Situation Entlastungsstollen Thalwil © Bild zvg

Situation Entlastungsstollen Thalwil © Bild zvg


KOMPLEXE GEOMETRISCHE BAUWERKE DANK ALLPLAN IN 3D EFFIZIENT ERARBEITET

„Der Entlastungsstollen Thalwil, modelliert in 3D und in Anwendung der Software Allplan Engineering, ist für uns das erste Projekt in dieser Grösse“, erklärt Yves Keller. Das Ingenieurbüro IUB am Hauptsitz in Bern beabsichtigt in Zukunft für grössere Infrastrukturprojekte eine konsequente Planung in 3D durchzuführen. Umso wertvoller sind die Erfahrungen, die auch der Konstrukteur Dominic Grünig beim Projekt Entlastungsstollen Thalwil bisher gemacht hat: „Das 3D-Modell eröffnet uns viele Möglichkeiten, deren Vorteile bei der Erarbeitung der komplexen Bauteile mit Baugrube, Stahlbeton und Stahlwasserbau voll zum Tragen kommen: Schnitte herausziehen, einfaches Handling bei Änderungen, Massenauszüge erstellen, um nur einige zu nennen.“ Das Erkennen von ungelösten Problemstellen und die zentrale Verwaltung der Informationen in einem Bauwerksmodell sind ein wirklicher Mehrwert. Erklärtes Ziel ist aber auch, das 3D-Modell im Sinne von BIM in der Ingenieurgemeinschaft als Grundlage für alle Partner bereitstellen zu können. Im Moment sind die Verantwortlichen aber schon damit zufrieden, dass die komplexe Geometrie der einzelnen Bauwerke im Modell definiert ist. „Das macht schon vieles viel einfacher“, erklärt Dominic Grünig. Das 3D-Modell der Überfallkante diente übrigens bereits als Grundlage für den Druck mit dem 3D-Drucker für den hydraulischen Modellversuch. Was würde der Konstrukteur rückblickend anders machen? „Die Struktur würden wir einfacher aufbauen und den Detaillierungsgrad reduzieren. “Mit Blick in die Zukunft erhoffen sich die Verantwortlichen von IUB, ihre Daten auch direkt mit dem bauausführenden Unternehmer austauschen zu können. Eigentlich ist es schade und aufwändig, wenn wir das 3D-Modell wieder auf Pläne in 2D herunterbrechen“, äussert sich Yves Keller dazu.


Längsschnitt Auslaufbauwerk Thalwil © Bild zvg

Längsschnitt Auslaufbauwerk Thalwil © Bild zvg


Entlastungsstollen Thalwil - Am Bau Beteiligte


Bauherrschaft:
Kanton Zürich, Baudirektion Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft
Projektverfasser:
IG Sihl-Entlastungsstollen IUB Engineering AG IM Maggia Engineering AG Kissling + Zbinden AG Kellerhals + Haefeli AG Büro HQ, Ingenieurbüro für Wasserbau Eduard Imhof, dipl. Architekt
Kosten:135 Millionen Franken
Bauwerke:Einlaufbauwerk Sihl
Stollen Länge: 2000 Meter Innendurchmesser: 6.60 Meter
Auslaufbauwerk Thalwil
Bauzeit:Voraussichtlich 2021 - 2024


DAS INGENIEURBÜRO

„Ingenieurskunst - unsere Leidenschaft“ - so lautet das Credo von IUB Engineering mit Hauptsitz in Bern und IM Engineering mit Hauptsitz in Locarno. Beide Unternehmungen sind Gesamtplaner für Infrastrukturanlagen und bieten anspruchsvolle Ingenieurdienstleistungen in der Schweiz und im Ausland an. In ihren Tätigkeitsbereichen Bautechnik und Elektromechanik beschäftigen sie rund 270 Mitarbeitende an mehreren Standorten in der ganzen Schweiz. 2010 feierte die Engineering-Gruppe ihr 40-jähriges Jubiläum. Im Kraftwerksbau, Tunnelbau, Wasserbau sowie allgemeinen Tief- und Hochbau zählen die beiden Ingenieurunternehmungen zu den führenden Anbietern in der Schweiz. Eine Vielzahl von ausgeführten Projekten wie Pumpspeicherwerk Linth-Limmern, Hochwasserentlastungsstollen Thunersee und Sarneraa, Lötschberg-Basistunnel, Simplon Passtrasse zeugen von der Fachkompetenz und der Leistungsfähigkeit im Bereich Bau. In der Elektromechanik verfügen IUB- und IM-Engineering als Anlageplaner zudem über profunde Kenntnisse der Projektierung und Realisierung der elektromechanischen Ausrüstung von Infrastrukturbauten. Aktuelles Beispiel ist der Ceneri-Basistunnel. 




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Für vielfältige Gebäudeplanungen, anspruchsvolle Kunstbauten sowie allgemeine Tiefbauprojekte und Strassenplanungen: Als führendes Softwarehaus in der Schweiz unterstützt ALLPLAN Ingenieure mit integrierten Systemlösungen.

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© Bilder Entlastungsstollen Thalwil, IG Sihl-Entlastungsstollen c/o IUB Engineering AG, AWEL; Grafik W.Vater / ALLPLAN Schweiz AG; Text: Peter Rahm

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